Hüftfehlstellung: 38-Jähriger durchläuft Marathon-Behandlung
Vor vier Jahren fing alles an, mit stechenden Schmerzen in der Leiste. „Ich bin als Rohrkanalreiniger im Chemiepark Marl beschäftigt. Anfänglich habe ich die Schmerzen als Überlastung abgetan. Wir hantieren mit schweren Hochdruckreinigern, die bis zu 3000 bar aufbringen.“ Zehn-Stunden-Schichten habe er bewältigt. „Irgendwann hat es sich angefühlt, als würden meine Knochen aufeinander reiben.“
Erst als die Schmerzen zu einem Taubheitsgefühl im Bein übergingen, ließ sich der Marler von Fachärzten durchchecken. Das Ergebnis: Hüftdysplasie – die häufigste angeborene Knochenskeletterkrankung. Drei bis fünf Prozent der Neugeborenen sind betroffen. Jährlich kommen in Deutschland rund 30.000 Kinder, überwiegend Mädchen, mit einer Hüftdysplasie auf die Welt. Schlimmstenfalls muss das Hüftgelenk bei einer späten Diagnose durch ein künstliches ersetzt werden. Davon ist der 38-Jährige verschont geblieben.
Einer der wenigen Spezialisten weltweit
Dr. Lars-Christoph Linke, Chefarzt der Klinik für Orthopädie in den Knappschaft Kliniken Paracelsus Marl, ist einer der wenigen Spezialisten weltweit, der eine solche Hüftfehlstellung beheben kann. „Gewöhnlich nimmt man die Operation im jungen Alter vor. Durch eine frühzeitige Diagnose und therapeutische Maßnahmen lassen sich Hüftgelenkserkrankungen häufig günstig beeinflussen. Im Erwachsenenalter gestaltet sich der Heilungsprozess als langwieriger. Beckenknochen haben eine lange Heildauer nach einem Bruch oder einer chirurgischen Durchtrennung. In den ersten Wochen nach der OP darf der Patient die operierte Hüfte nicht belasten. erfolgt ein schrittweiser Belastungsaufbau.
Maurice Weiß hatte keine Wahl: „Wenn ich damit leben könnte, wäre ich nicht hier“, sagt er. Weil er ein Mensch sei, der selten einen Arzt aufsucht, wurde die Liste unerkannter Erkrankungen immer länger: Bandscheibenvorfall, eingeklemmte Nerven, Fehlstellung der Hüftpfanne in Kombination mit einer Fehlstellung des Oberschenkelknochens. „Irgendwann stand fest, dass die Operation unvermeidbar ist.“
Vierstündige Operation
Dr. Lars-Christoph Linke: „Wir haben vier Stunden lang operiert. Wir mussten den Beckenknochen an drei Stellen durchtrennen, die Hüftpfanne in die korrekte Position bringen und sie mit langen Schrauben fixieren. Zusätzlich war auch eine Korrektur des hüftnahen Oberschenkelknochens zur optimalen Einstellung des Hüftgelenkes erforderlich.“
Die ersten Tage nach der OP waren rückblickend nicht leicht“, erinnert sich der 38-Jährige. „In den ersten Tagen nach der Operation war eine Mobilisation nur im Bett möglich. Die Schmerztherapie erfolgte auch mithilfe eines Schmerzkatheters. Im weiteren Verlauf erfolgte dann eine zunehmende Mobilisierung mit Hilfsmitteln unter Entlastung des operierten Hüftgelenkes.
Nun kämpft sich der Marler zurück ins Leben. „Ich werde wohl sechs Monate ausfallen und auch danach nicht mehr in meinem Job arbeiten können.“ Er hat Glück, dass er einen sozial eingestellten Arbeitgeber hat. „Ich werde zukünftig in einen anderen Bereich eingesetzt. Damit komme ich zurecht.“ Maurice Weiß ist ein positiver Mensch, der das Leben nimmt, wie es kommt. „Jammern nützt ja nichts. Ich muss da jetzt durch.“
Inzwischen ist Maurice Weiß wieder zu Hause. Im aktuellen Monat Mai – drei Monate nach der Operation – darf er sein operiertes Hüftgelenk möglicherweise erstmals wieder minimal belasten. Dafür stehen noch einige Kontrolltermine aus. Für den Marler dennoch ein greifbarer Meilenstein. „Der lange Genesungsprozess ist mir die Mühe wert. Ich bin noch jung. Alles andere wäre für mich keine Lebensqualität mehr.“
Worauf er sich am meisten freut? „Auf jede Art von Bewegung. Jede einzelne wird ein Erfolgserlebnis für sich sein.“ Wenn alles gut verheilt, wird Maurice Weiß im Sommer wieder auf den Beinen sein.