Familienfotos wecken Emotionen von Palliativpatienten
In der Klinik für Geriatrie und für Palliativmedizin in den Knappschaft Kliniken Paracelsus Marl können mit Hilfe dieses Projektes schöne Erinnerungen längst vergangener Tage bei diesen Patienten erweckt werden und dazu dienen, dass für ein paar Minuten lang schmerzliche Empfindungen in den Hintergrund driften können. Auch der Tag-Nacht-Rhythmus kann dadurch positiv beeinflusst werden.
Außerdem wirkt sich das Anschauen der Familienfotos nachhaltig auf Ängste der beispielsweise an Demenz oder an unheilbaren Krankheiten leidenden Patienten aus und beeinflusst deren Genesungsprozess positiv.
So auch bei Patientin Johanna Schwierz. Als das Bild ihres damaligen Hundes „Harres“ an die Wand ihres Stationszimmers geworfen wird, fängt sie sofort an zu erzählen. Der Dobermann ist bereits vor zehn Jahren durch das Verschlucken einer Kastanie verstorben. Trotzdem sind die Erinnerungen an ihren Hund wieder so nah. Als nächstes erscheint ein Bild von Weihnachten mit ihren drei Enkelkindern und dem Christbaum im Hintergrund. „Auf dem Bild haben wir Weihnachten“, erinnert sie sich. „Bei uns in Polen wird nicht Fleisch gegessen, sondern Karpfen. Schon als Kind mochte ich es nicht so gerne, denn der Fischgeruch ist schon intensiv. Dann riecht alles nach Fisch im Haus. An Weihnachten duftet es nach Nüssen und Tannenzweigen. Deswegen habe ich immer lieber Kartoffelsalat mit Bockwürstchen gemacht“, sagt sie. Wegen einer palliativen Komplexbehandlung ist sie seit knapp einer Woche auf der Palliativstation in den Knappschaft Klinken Recklinghausen.
Die Bilder der Patientin werden über ihr Handy auf den Beamer übertragen. Mittels des in alle Richtungen schwenkbaren Beamers können diese dann an die Wand oder Zimmerdecke geworfen werden.
Als nächstes spielt sich ein Urlaubsvideo ab. „Das war in Düren. Es war wunderschön.“ Sofort sprudeln wieder weitentfernte Erinnerungen aus ihr heraus. „Und da waren wir in…. Wie heißt dieses Märchen mit den Tieren?“, fragt sie. „Bremer Stadtmusikanten“, sagt jemand. „Genau, das war da.“
Während einer solchen Diashow der eigenen Bilder tauchen die Patienten in eine andere Welt ein und können zumindest für ein paar Minuten fast alles um sie herum ausblenden. Dabei ist die Reaktion oft unterschiedlich. Einige sind gerührt und weinen und andere wiederum fangen an zu erzählen.
„Eher verschlossene Patienten blühen für einen Moment auf und erzählen lustige Anekdoten, die ihnen beim Anschauen der Bilder wieder einfallen“, erklärt Bianca Jamin, Fachgesundheits- und Krankenpflegerin auf der Station der Palliativmedizin und Geriatrie – Zentrum für Altersmedizin. Wenn genug Zeit ist, setzt sich eine Pflegekraft dazu. „Palliativ bedeutet „Mantel“ und genauso wollen wir mit den Bildern diesen Effekt für unsere Patienten erzeugen, dass sie sich geborgen und „ummantelt“ fühlen.“
Manche Patienten, wie Johanna Schwierz, werden zugänglicher, fangen an zu reden, obwohl sie sonst eher in sich gekehrt waren. Dann kommen sie in den Redefluss, weil durch die ausgelösten Emotionen die Erinnerungen aus dem Langzeitgedächtnis aktiv werden.
Die 74-Jährige hat vier Söhne und sechs Enkelkinder. Auf die Frage, wie sie die Idee dieses Projekts findet, antwortet sie: „Sehr schön. Ich schaue mir sehr gerne die Bilder auf meinem Handy an. Damals hatte man noch alle Bilder in der Hand, nun nicht mehr. Die Zeiten haben sich sehr verändert.“ Zukünftig soll die Bilderprojektion auf weitere Stationen ausgeweitet werden.

